Sonntag, 18. Januar 2004
<mein zug>

ich - alicante - allein.
es regnet. ich bin geflüchtet in eine bar. es ist nachmittag. ein großer kindergarten hier, so scheint es - kindisch coole atmosphäre, aber warm und trocken. ich ertappe mich beim warten, beim warten auf den zug - den zug nach barcelona. was will ich noch hier? warten! noch zwölf stunden. ich lächle über mich.
ich - alicante - allein - regen.
ich warte. ich habe nichts zu tun, als warten - bier trinken. ich müsste spanisch sprechen können. hier spricht keiner englisch. also warte ich auf den zug. ich will ihn keinesfalls verpassen. aber es sind ja noch zwölf stunden.
aufbruchstimmung.
wieso bin ich nach alicante gefahren? zum gin trinken, laufen, in bars gehen, lächeln. die verständigung ist schwer. im winter spricht hier niemand englisch. keine ausländer hier außer neger und araber und ich. ich habe am ersten tag hier vier araber kennen gelernt. ich habe in deren pension gebadet. sie haben mich reingeschleust. ich habe kaum noch geld auf tasche. die mädchen sind schön hier, aber sprechen kein englisch - zumindest nicht im winter. hier ist alles angenehm braun, dass macht die sonne. aber heute regnet es und ich warte. ich warte auf den zug in zwölf stunden. ich trinke bier.
über die ohrstöpsel ziehe ziehe mir den punk 'rein.
visuell-akustische dissonanzen.
wieso alicante? wieso spanien? wieso überhaupt weg? wieso?
persönlichkeitsentfaltung! recht introvertiert, weil hier keiner englisch spricht im winter. ich versuche so viel wie möglich spanisch zu sprechen, aber meistens verlässt nur ein vokabelmissmatch meinen mund - deshalb introvertiert. „bubi“ die introvertierte persönlichkeit in alicante wartet in einer bar biertrinkend auf den zug - noch ein bischen berlin im kopf und will karate können. da lacht er und träumt von conni aus dem zug. ob ich sie wiedersehen werde? im loft? ich als introvertierte persönlichkeit „bubi“? ich mit einigen ausbrüchen von arroganz bei leuten, die ich gering schätze, meist weil ich sie kenne? aber nicht verachte, immer weil ich sie kenne. ich, der unsichere, schüchterne, introvertierte schelm bin arrogant und warte auf einen - meinen zug. dabei gibt es so viele. barcelona oder berlin - diese und jene szene - genauso arrogant. drinnen oder nicht - egal. ich bin überall halb. ich, der halbe will karate können und warte auf den - den meinen einen zug. ich will ihn! ich bin nicht trübselig oder moralisch und auch nicht stoned. ich bin selig hier und warte. die bar ist inzwischen leer. ich hab lust auf whisky, aber nicht auf den geschmack - also noch ein bier.
bestellt
gebracht
angetrunken
das bier
ich
alleine
glücklich
wartend.
ich, allein in einer weiß gekachelten bar mit bastwänden und knisternden baststühlen. ich hasse knisternde baststühle, aber warte - trinke bier.
ich denke: zum glück knistern die wände nicht.
ich träume: bastwände, die knistern in einer gekachelten bar. ich, allein auf einem knisternden baststuhl, trinke bier. bei jedem knistern schaut der kellner böse über den tresen zu mir. als ob knistern verboten sei in spanien. dabei kann ich gar nichts dafür. ich würde es ihm gerne klarmachen. aber er spricht kein englisch - nicht im winter. es ist winter und mein spanisch ist miserabel. ich kann es ihm nicht klarmachen. ich werde nervös von dem scharfen, bösen, spanischen blick, den er mir bei jedem knistern zu wirft. ich versuche nicht zu knistern. ich sitze so still, wie ein guru beim meditieren. der baststuhl knistert trotzdem. der kellner wirft mit bösen blicken, und ich werde immer nervöser. ein alptraum in spanien. ein tagtraum. ich bin allein. er könnte mich schlagen oder rauswerfen. aber er schaut nur böse. ich bin hier tourist. er hat mich erkannt. er will mein geld und schaut böse. ich bin nervös und versuche so still, wie möglich zu sitzen. ich habe kein geld, dass er haben wollen könnte. aber ich bin tourist. touristen haben geld. ein alptraum.
der kellner denkt: wieso sitzt dort ein deutscher tourist und knistert beim biertrinken?
er träumt: ich bin kein deutscher tourist, sondern eine schöne deutsche touristin. allein - knisternd beim biertrinken, allein in der bar. er hätte nicht sauber zumachen, wie jetzt. er würde mir einen martini ausgeben - sich zu mir an den tisch setzen. er würde englisch sprechen trotz winter. er heiße pedro und ich? er würde das knistern überhören - würde lächeln. würde er? ich weiss es nicht. ich bin ein deutscher tourist, knistere beim biertrinken, und er ist gar nicht böse. er hört es nicht einmal. er macht sauber, und ich warte auf den zug.
hier!
ich schmiede träume. alpträume! bubi, bubi...

von <bubi> um <01:48 uhr> <8 Kommentare> <comment> <>

 

Samstag, 3. Januar 2004
<ihr fichten>

ein alter film, ein ferngespräch. das ist alles. ich kenne die auswirkungen seit jahr und tag. die fichten auf dem hof stehen still wie daheim. dunkel ragen sie in den himmel bis zu vereinzelten stadtsternen. sie werden auch morgen da stehen, die nebel begrüßen, den ersten schnee. ich bin bei euch, ihr fichten. ich stehe zu euch. ich werde immer noch wachen, wenn morgen die nebel steigen, der schnee euch bedeckt, die stadt zu brummen beginnt - lansamer am samstag. ich werde einen joghurt mit euch gegessen haben. mein herz tut mir weh, ihr fichten. es droht zu zerbersten.
wieso bist du nicht bei mir, mein freund? wieder hast du nicht geantwortet am fernsprecher - bliebst einfach still! diese unsägliche stille in unserem gespräch. nur wenige sekunden ausgedehnt zu einem universum an zeit, in der du nichts gesagt hast und ich geschwiegen habe. dieses drückende nichts. du stichst mir ins herz. ich will dir platz geben und du füllst ihn nicht aus.
du warst müde - klar.
kümmerst dich um viele dinge - klar.
arbeitest wie ein weltmeister - klar.
musst dich um dein leben kümmern - klar.
würdest mich nie betrügen - klar.
ich aber liege hier allein. ich fühle mich als zweite wahl. es ist so grausam, gegen das nichts kämpfen zu müssen um dich. ich sehe meine kraft schwinden in dir. ich sehe, wie meine energie verpufft mit dir, obwohl du immer lieb zu mir bist. so unbeschreiblich lieb. dann plötzlich diese kälte, diese härte. ich bin zu nah gekommen, weil ich das will. du aber sagst mir: „nein!“ du musst dich um dein leben kümmern, musst wieder freunde finden, musst dein leben leben.
dann kommst du zu mir voll wärme, voll leben und lachen. dein lachen. dein wollen, es strömt so warm zu mir, dass ich mich sonnen kann. mich fallen lassen. du würdest mich fangen mit deiner kraft, mich festhalten mit deiner kraft - mich tragen, mich lieben, mich beschützen.
ich aber spüre deine trauer, dein tiefes leid, deinen schmerz. du redest nicht darüber, aber es ist da. es ist doch da! ich spüre es doch. wie kannst du mich tragen? mit diesem schmerz, der meiner auch ist?
und ihr, fichten? steht da und schaut zu! ihr habt diese geschwindigkeiten nicht! kennt nicht die wirren der bewegung! mein herz, was schlägt, dass ich es hören kann! die unruhe in mir, die mich von einer auf die andere seite dreht. mich wandeln lässt in dieser nacht. ich hab das buch zum fünften mal beiseite gelegt, zum fünften mal das licht gelöscht, zum fünften mal bin ich euch fichten im mondeslicht begegnet. ihr seid so ruhig, so mächtig, so beständig, so klug, ihr fichten vor meinem fenster. von euch will ich lernen.

von <bubi> um <13:14 uhr> <0 Kommentare> <comment> <>

 

Freitag, 2. Januar 2004
<orangensoße>

alte rezepte fristen oft jahrelang auf notizzetteln als lesezeichen in kochbüchern oder ordentlich abgeheftet in speziellen „meine besten rezepte“ ordnern ihr schattendasein. meist werden sie nie wieder einem gaumen vorgeführt. ein solches rezept aus kindheitstagen ruft alte erinnerungen an liebe, längst verstorbene lebensgefährten, wie die großmutter hervor. meine großmutter kochte leber in orangensoße und servierte dazu nudeln in butter geschwenkt und mit parmesan erwärmt. mein vater schrieb dieses rezept nieder und seit dem schlummert es in meinen regalen, da leber von kritischen konsumenten zur zeit eher als sondermüll denn als lebensmittel eingestuft wird. dabei war die orangensoße so lecker. ich konnte die orangensoße zu sylvester in neuem glanz erstrahlen lassen.

hühnerbrust mit orangensoße und reis
nimm:

  • zwei hühnerbrüste
  • einen zweig frisches rosmarin
  • zwei gehäufte teelöffel thymian
  • drei orangen
  • einen ordentlichen schuss speiseöl
  • zwei teelöffel honig
  • als beilage reis
presse die orangen mit fruchtfleisch aus. stelle mit einem pürierstab eine emulsion mit dem speiseöl her. gib dazu den thymian. lasse zwei dritte teile davon unter zugabe des honigs über einen zeitraum von einer halben stunde langsam einkochen.
spicke die hühnerbrüste mit dem rosmarin und brate diese ca. drei minuten scharf an. lösche den orangensud mit dem restlichen orangensaft ab und serviere die soße mit hühnerbrüsten, reis und rotwein. verführe damit den gaumen deines partners.

von <bubi> um <02:04 uhr> <1 Kommentar> <comment> <>