Mittwoch, 31. Dezember 2003
<sylvester>

der letzte tag im jahr graut langam an. was wurde noch vergessen? wie viele dinge haben wir getan? was davon richtig? und was falsch davon? jahresbilanzen flackern wohl über die bildschirme. zeit für inventur. sylvester ist nach dem gleichnamigen pabst benannt, der am 31. Dezember 335 starb, und dem die kirche nicht nur ihren ehemaligen stand als staatsreligion sondern auch den vatikanstaat selbst verdankt. bezeichnender weise lässt sich sylvester mit der waldbewohner übersetzen. und gerade durch den wald, so die germanische mythologie, saust wotan mit seinem wilden heer während der rauhnächte, die die beiden wochen um den jahreswechsel umschließen. sylvester ist die mittlere der rauhnächte, in denen die jenseitigen mächte besonders lebendig sind. das wirkt sich dem glauben nach auf träume aus, in denen man während dieser zeit die zukunft sehen könne.
bemerkenswert daran ist auch, dass der übergang raum hatte. es gab vierzehn tage raum zum träumen von zukunft, zum schmieden von plänen. bei uns ist sylvester kürzer als ein knall. heute werden wieder massen von zeitgenossen vor zuckenden digitaluhren stehen, um sich die zeit zum jubeln von technik oder anderen diktieren zu lassen. wissen sie, was sie bejubeln? haben wir selbst uns denn schon gedanken gemacht?
in spanien gibt es einen brauch, heute nacht um zwölf uhr mit jedem schlag der turmuhr eine weintraube zu essen. mit jeder beere soll man sich etwas wünschen. in manchen gegenden werden die uhren heute dafür langsamer schlagen, damit genug zeit für wünsche bleibt.
so sollten auch wir die uhren langsamer schlagen lassen, wenn wir sie nicht überhaupt bei seite lassen können. wir sollten die nacht nutzen und einfach vollbrachtes feiern sowie gewünschtes träumen.

von <bubi> um <10:18 uhr> <0 Kommentare> <comment> <>

 

Montag, 29. Dezember 2003
<kinder>

wofür schlagen diese herzen?
wieviel last auf diesen beinen?
wünschen leben ohne schmerzen.
doch schon jetzt seh ich sie weinen.

von <bubi> um <09:21 uhr> <1 Kommentar> <comment> <>

 

Mittwoch, 24. Dezember 2003
<die neue askese>

um ein uhr mittags schließen die geschäfte. bis dahin wütet, wilder denn sonst im jahr, der rausch der kunden. jetzt wird es ruhig. gesichter strahlen. wir haben es geschafft. aber noch will der karpfen, die weihnachtsgans oder nur ein heringssalat vorbereitet sein. der christbaum muss geschmückt werden. er ist schon wieder etwas größer in diesem jahr. wir müssen ihn auf dem boden platzieren. und wohin nur mit den kindern solange? werden sie durchhalten alleine im kinderzimmer? auch wieder mehr geschenke sind da - sie haben kaum noch platz auf dem gabentisch. um drei uhr nachmittags ist es dann so weit. mit den kindern in die kirche, fünf uhr bescherung, sieben uhr gemeinsames essen, neun uhr kinder im bett. es kehrt ruhe ein.
schätzungen zufolge feiert man in deutschland durchschnittlich siebeneinhalb stunden weihnachten am heiligen abend. das hat sich seit jahren nicht verändert. aber die vorbereitung ist mit den jahren immer aufwändiger geworden. und? was ist dadurch besser geworden? eher nichts. wir finden zwischen dem ganzen „bessermachen“ gar keine zeit mehr, um wirklich zu feiern. eigentlich ist weihnachten zu einem überfüllten terminkalender verkommen. wer von uns benötigt denn immer mehr geschenke? die kinder? bestimmt nicht! wer von uns kann sich noch über ein gelungenes festessen wirklich freuen? könnte man doch jeden tag ähnliches essen, wäre da nicht die gesundheit.
das ende des wachstums ist sumpfig. wir stoßen nicht an, wir verheddern uns in immer größeren aufwendungen, um einen weiteren schritt emporzusteigen auf seiner leiter. aber wieso nur denken wir so engstirnig? empor kann genauso gut weniger heißen. weniger geschenke, weniger essen, weniger vorbereitung, weniger hektik, weniger lautstärke. dafür aber mehr ruhe, mehr gemeinsamkeit, mehr in sich gehen.
jedes jahr werden derartig fromme wünsche ausgesprochen. aber seit einiger zeit scheint sich unabhängig von weihnachten mehr daraus entwickeln zu wollen. inzwischen gibt es sogar anzeichen für eine neue bewegung: das weniger wollen. mit ausgelöst wurde sie durch die allgegenwärtigen einsparungen, die unsere gesellschaft flächendeckend durchziehen. schon gibt es eine bezeichnung für diesen trend: „die neue askese“. es geht hier nicht darum, alleine in der wüste zu harren. vielmehr soll der neue lebensstil mehr qualität in das leben eines jeden einzelnen von uns bringen. „weniger ist mehr“ klingt es (wenn auch mit einem etwas merkwürdigen beigeschmack) aus einem forum der anarchisten. inzwischen leben mehr und mehr menschen ohne fernsehen. das auto ist in größeren städten nur noch ein zeit- und geldverschwender. die reise in die karibik wird zu gunsten von wanderungen durch heimatliche gefilde eingetauscht. das alles geschieht nicht etwa aus geldmangel, sondern weil immer mehr menschen dahinter kommen, das es überhaupt keine lebensqualität ist, sich immer schneller und weiter bewegen zu können oder immer mehr unterhaltung zu „genießen“. es ist genau das gegenteil.
was aber ist, wenn wir verzichten? wenn wir uns daran erfreuen, nicht mehr haben zu müssen? was geschieht mit einer derart auf den prüfstand gestellten volkswirtschaft? in seinem artikel lagebestimmung: den stillstand denken überdenkt der neue phosphoros die auswirkungen eines nicht vorhandenen wirtschaftlichen wachstums auf unsere gesellschaft. es wird hier bewusst nicht der terminus fehlend angeführt, weil das wachstum eben nicht fehlt. es wird uns nur immer nur vorgehalten, dass es uns fehlen würde. aber wir haben keine angst. wir freuen uns an unserer wiedergewonnenen zeit und der damit verbundenen freiheit!

von <bubi> um <17:25 uhr> <0 Kommentare> <comment> <>