der letzte tag im jahr graut langam an. was wurde noch vergessen? wie viele dinge haben wir getan? was davon richtig? und was falsch davon? jahresbilanzen flackern wohl über die bildschirme. zeit für inventur. sylvester ist nach dem gleichnamigen pabst benannt, der am 31. Dezember 335 starb, und dem die kirche nicht nur ihren ehemaligen stand als staatsreligion sondern auch den vatikanstaat selbst verdankt. bezeichnender weise lässt sich sylvester mit der waldbewohner übersetzen. und gerade durch den wald, so die germanische mythologie, saust wotan mit seinem wilden heer während der rauhnächte, die die beiden wochen um den jahreswechsel umschließen. sylvester ist die mittlere der rauhnächte, in denen die jenseitigen mächte besonders lebendig sind. das wirkt sich dem glauben nach auf träume aus, in denen man während dieser zeit die zukunft sehen könne.
bemerkenswert daran ist auch, dass der übergang raum hatte. es gab vierzehn tage raum zum träumen von zukunft, zum schmieden von plänen. bei uns ist sylvester kürzer als ein knall. heute werden wieder massen von zeitgenossen vor zuckenden digitaluhren stehen, um sich die zeit zum jubeln von technik oder anderen diktieren zu lassen. wissen sie, was sie bejubeln? haben wir selbst uns denn schon gedanken gemacht?
in spanien gibt es einen brauch, heute nacht um zwölf uhr mit jedem schlag der turmuhr eine weintraube zu essen. mit jeder beere soll man sich etwas wünschen. in manchen gegenden werden die uhren heute dafür langsamer schlagen, damit genug zeit für wünsche bleibt.
so sollten auch wir die uhren langsamer schlagen lassen, wenn wir sie nicht überhaupt bei seite lassen können. wir sollten die nacht nutzen und einfach vollbrachtes feiern sowie gewünschtes träumen.